Universität KonstanzExzellenzcluster „Kulturelle Grundlagen von Integration“

Integration Tür an Tür

6. April 2010

Minarett der Moschee in Konstanz

Die Moschee in Konstanz

Ein neues Forschungsprojekt am Exzellenzcluster erforscht soziale Integration in multikulturellen Gesellschaften.

Ein Minarett prägt die Skyline am Konstanzer Seerhein – seit der Schweizer Volksabstimmung gegen Minarette undenkbar in der Nachbarstadt Kreuzlingen. Doch heißt dies, dass die Konstanzer Bevölkerung toleranter ist? Partizipieren diesseits der Grenze mehr Migranten am öffentlichen Leben? Fühlen sie sich in alltäglichen Situationen von den Einheimischen besser akzeptiert?

Ab 1. April 2010 untersuchen Markus Freitag und Thomas Hinz zusammen mit ihrem Team von der Universität Konstanz diese Fragestellungen im Projekt „Soziale Integration in multikulturellen Gesellschaften. Eine Analyse von Nachbarschaften der Städte Konstanz und Kreuzlingen“. Freitag ist Inhaber des Lehrstuhls für Vergleichende Politik und leitet die Forschungsstelle „Bürgerschaftliches Engagement und Sozialkapital“, Hinz ist Professor für Empirische Sozialforschung an der Universität Konstanz. Unterstützt wird das Projekt vom Exzellenzcluster  „Kulturelle Grundlagen von Integration“, der Universität Konstanz und den Städten Konstanz und Kreuzlingen.

Die Wissenschaftler wollen herausfinden, wie sich gesellschaftliche Diversität auf die soziale Integration auswirkt. Was ist neu an ihrem Ansatz? „Die Erforschung dieser Beziehung wurde mit Blick auf die Situationen, Potenziale und Problemlagen in kleinräumigen Lebensbeziehungen, wie wir sie in eng umrissenen Nachbarschaften bzw. Stadtvierteln finden, bislang vernachlässigt,“ erläutert Markus Freitag. Wie viele Deutsche kennen die in Konstanz lebenden Rumänen und Türken? Spielen ihre Kinder miteinander? Gehen die Familien „nach draußen“ und mischen sich unter die einheimische Bevölkerung? Dazu will das Forscherteam ca. 1500 Menschen in ausgewählten Nachbarschaften von Konstanz und Kreuzlingen befragen, statistische Daten auswerten und vor Ort auf Beobachtungsposten gehen.

Das Projekt verspricht spannende Einblicke, zumal sich die Zusammensetzung der Bevölkerung in beiden Städten stark unterscheidet: 12,5% der Konstanzer haben einen Migra­tionshintergrund, während 48,5% der Bewohner Kreuzlingens Ausländer sind. Dazu zählen natürlich auch jeweils die über die Grenze gezogenen Schweizer und Deutschen. Interessanterweise scheinen Letztere in der Schweizer Stadt nicht so integriert, wie die kulturelle Nähe es vermuten ließe. Thomas Hinz erklärt sich dies so: „Aufgrund der geographischen Nähe findet oft keine klare Ablösung vom Alltag in Deutschland statt. Beispielsweise schicken einige ihre Kinder über die Grenze in die deutsche Schule. Die kulturelle Nähe wiederum mag Grund dafür sein, dass man es nicht für nötig hält, in die vorgesehenen Integrationsvereine zu gehen. Genauere Aufschlüsse darüber wird erst die Auswertung der gesammelten Daten geben.“

In der öffentlichen Debatte geht es immer wieder darum, wie viele Migranten eine Gesellschaft verträgt. Allzu oft wird Heterogenität bzw. Multikulturalität einer Gesellschaft als Gefahr oder zumindest als Risiko betrachtet. Das neue Projekt will etwas zu dieser Debatte beitragen. Die Forscher werden ihre Ergebnisse so aufbereiten, dass praktische Empfehlungen für die Politik gegeben werden können. Welche integrationspolitische Maßnahme hat in einzelnen Stadtteilen etwas gebracht? Fördern beispielsweise ein türkisches Café oder Straßenfeste in einer Nachbarschaft die Integration, schaffen interkulturelle Vereine ein größeres Gemeinschaftsgefühl?